Die Schlagzeilen in diesem Jahr waren überwiegend negativ: Handelsstreit mit den USA, Demonstrationen in Hongkong, schwächeres Wachstum. Aber trotzdem laufen China-Aktien gut in diesem Jahr. Außerordentlich gut sogar. Der CSI 300, Index der 300 größten in Shanghai oder Shenzhen gelisteten Aktien, hat in Euro umgerechnet 32 Prozent in diesem Jahr zugelegt, während in Hongkong notierte China-Aktien immerhin noch auf neun Prozent Plus kommen.

Vermutlich hat die langfristige Wachstumsstory dann doch stärker gewogen als die kurzfristigen Probleme: So ist Chinas Binnenmarkt schlicht und einfach enorm, und entsprechend groß ist die Nachfrage nach Versicherungen, Bildung, Medien, Mode. Und dabei geht es längst nicht mehr nur um die Superreichen. Und: Es sieht inzwischen tatsächlich danach aus, dass der Handelsstreit mit den USA beigelegt wird.

Klar ist aber auch, dass das Land einen Spagat schaffen muss. Die Wirtschaft wächst so langsam wie seit 30 Jahren nicht. In diesem Jahr rechnet man mit "nur" 6,0 bis 6,5 Prozent Plus. Und außerdem steigt auch noch die Inflationsrate.

Billigeres Geld für Chinas Banken

Die Zentralbank der Volksrepublik hat sich derweil wohl entschieden, das erste der Probleme anzugehen: Man will der Konjunktur auf die Sprünge helfen. Das ist eine Abkehr vom Sparkurs der vorigen Jahre. Denn zum ersten Mal seit 2016 hat die Notenbank einen der wichtigsten Leitzinssätze gesenkt, den Zins für mittelfristige Darlehen an Banken (MLF). Um fünf Basispunkte auf 3,25 Prozent wurde er gekappt. Das ist minimal, aber es war vermutlich der Anfang weiterer Aktionen. In den Jahren zuvor hatte China den Satz noch angehoben.

Die Aktion ist deshalb wichtig, weil der Geldbedarf der chinesischen Finanzinstitute zu 40 Prozent über den MLF-Satz gedeckt wird. Die Banken haben jetzt mehr Spielraum und können Kredite zu tieferen Zinsen vergeben. Zudem ist es ein Hinweis darauf, dass die Notenbank wohl bald -nämlich am 20. November - den zweiten Leitzins (LPR) den dritten Monat in Folge senkt. Aktuell liegt dieser Zins noch bei 4,2 Prozent.

Die Zinssenkungen sind indes nicht ganz unproblematisch. Nach Schätzungen der Ratingagentur Fitch sitzen die Geschäftsbanken seit Jahren auf zu vielen faulen Krediten. Entgegen offizieller Zahlen schätzt Fitch den Anteil dieser Problemkredite in den Bankenbilanzen auf 20 Prozent. Vor drei Monaten musste deswegen sogar die - recht kleine - Bank of Jinzhou unter das rettende Dach des Giganten Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) flüchten. Dennoch sind Warnungen vor einer ausgemachten Bankenkrise wohl übertrieben. Die fünf chinesischen Großbanken wiesen für das dritte Quartal allesamt steigende Gewinne aus. Außerdem verfügt die Notenbank im Fall eines Wachstumseinbruchs weiterhin über erheblichen geldpolitischen Spielraum - auch angesichts des im internationalen Vergleich hohen Leitzinses und des Mindestreservesatzes von 13 Prozent.

Klar ist aber auch, dass die öffentlichen Haushalte und die Unternehmen hoch verschuldet sind. Auf 277 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung summiert sich Chinas Gesamtverschuldung laut Schätzungen inzwischen, wobei der Großteil auf die zumeist staatseigenen Unternehmen geht. Die Schuldenquote der Privathaushalte und des Staates an sich fallen eher gering aus. Immerhin: Die ausstehenden Verbindlichkeiten sind mehrheitlich Inlandsschulden, was China bis zu einem gewissen Grad vor externen Schocks schützt.




Rund um das Internet


Vor diesem Hintergrund sind China-Aktien weiter spannend. Etwa die Aktie des Streaming-Videoportals Huya, das vom Megatrend E-Sports profitiert. Und China ist laut David Semple, Fondsmanager bei VanEck, das "Epicenter" des Trends. Strea­ming von Spielen und Real-Life-Inhalten wird dort immer populärer. Huya selbst ist mehrheitlich im Besitz der Anker- investoren YY und Tencent. Die weitere Expansion und Finanzierung scheint dadurch gesichert. Apropos Tencent: Durch starke Konkurrenz gab es in den zurückliegenden Jahren weniger Erlöse durch Werbung als erhofft. Das drückte den Kurs. Doch das Engagement der Tencent-Kunden und die Fähigkeit des Unternehmens, dies zu monetarisieren, sprechen langfristig für die Aktie. Das Unternehmen ist ein Internetgigant mit Geschäftsfeldern wie Sofortnachrichtendienste, soziale Netzwerke, Medien, Mehrwertdienste wie das Bezahlsystem Tenpay, interaktive Unterhaltung, Netzhandel und Onlinewerbung.

Und schließlich Ping An. Analysten sprechen hier von einem "Finanz-plus-Technologie-Konglomerat". Der Fokus liegt auf einer jungen und wohlhabenden Zielgruppe, was überdurchschnittliches Wachstum verspricht. Man vertreibt vor allem über digitale Kanäle Versicherungs-, Bank-, Anlage- und Finanzierungsprodukte. Ein Langfristinvestment mit viel Potenzial.